Vom ältesten Pub in Konstanz, dem Old Mary’s, dreht sich unsere Kneipentour-Welt weiter zur Bierboutique. Großes Interview und Geschichte Nummer Zwei in 2019, here we go (Vielen Dank übrigens für die positive Resonanz auf den letzten Artikel 🙂 )… viel Spaß beim Lesen!
Wir befinden uns in einer Zeit um 1620. Der dreißigjährige und der Osmanisch-Polnische Krieg wüten in Europa, die Baukunst einfacher Häuser hat längst nicht das Level späterer Jahrhunderte erreicht. Gleichsam hat ein kleines und heute noch stehendes Haus (Foto unten in der Galerie, lasst erstmal eure Fantasie walten :)) in der Nähe von Tettnang noch längst keine Ahnung davon, welch Persönlichkeiten es in seiner über 400-jährigen Geschichte noch hervorbringen soll. Und wie viele Menschen sich an den 1,70m Türstöcken noch den Kopf anhauen werden.
Einer dieser Menschen ist Martin Restle. Gründer der Bierboutique Konstanz.
Sportlich & Rastlos
Aufgewachsen in eben diesem Haus, umgeben von Hopfen, der sorgsam vom Nachbar umsorgt wurde, war sein Schicksal vermutlich schon früh bestimmt. Dennoch nahm alles erst eine ganz andere Wendung: Nachdem er vor dem Abitur ein Highschool-Jahr in New England (Amerika) verbracht hat, wollte Martin Sport studieren. Da jedoch zunächst kein passender Studienplatz verfügbar war, schrieb er sich – nach verschiedenen Gelegenheitsjobs, unter anderem auf Festivals – für eine Ausbildung zum Physiotherapeuten in Konstanz ein.
Schon während dieser Ausbildung war Martins Vorliebe zum Sport deutlich zu sehen: Unter anderem war er als Kajak- und Ski-Trainer, Segellehrer aktiv. Da jedoch auch nach der abgeschlossenen Schule nicht die ideale Stelle zu finden war, heuerte er zunächst als Erlebnispädagoge in einem Hochseilgarten an, fand anschließend aber auch eine Arbeit als Physiotherapeut in der Schweiz. Doch damit war es natürlich nicht vorbei…
Nach ein paar Jahren als Physiotherapeut hatte Martin „die Schnauze voll“, und entschloss sich dazu, alles zu verkaufen und zu kündigen, um gemeinsam mit seiner Freundin eine Weltreise anzutreten. Die Reise konzentrierte sich vor allem auf Mittel- und Südamerika, wo die beiden vor allem die Chance zum Kitesurfen und Wellensurfen nutzen (Übrigens eine klasse Sportart ;-)).
Der Camper
Zurück in Deutschland erschien es Martin allzu ungewohnt, direkt wieder zu arbeiten – während seine Freundin direkt wieder anfing, kaufte er sich einen Camper und hing noch eine Ausbildung aus Kitesurf-Lehrer dran. Unter anderem war er noch dreimal drei Monate in Dänemark, Spanien und Marokko unterwegs. Aber Konstanz, und die Freundin, rief doch immer lauter nach einer neuerlichen Rückkehr. Doch wohin mit dem Camper?
An dieser Stelle kam ein alter Freund ins Spiel, Freddy, der auf seinem Grundstück auf der Reichenau einen ausreichend großen Garten hat. Also wurde der Camper dort geparkt, möglichst nah am Haus, damit die Verbindung zum WLAN möglichst gut ist. Für eine Weile wohnte Martin weiter in seinem Wohnmobil, bis er schließlich zu Freddy in eine Dachwohnung im Haus zog. Nicht zu vergessen: Schon vor diesem Umzug sprach Freddy eine Idee an, die die beiden gerne mal verfolgen wollten: „Lass doch mal Bier brauen!“. Während also hobbymäßig immer mal wieder gebraut und mit Freunden probiert wurde, arbeitete Martin nochmal als Physio in der Schweiz, bis eines denkwürdigen Tages im Konstanzer Anzeiger ein Ladengeschäft in Konstanz ausgeschrieben war. Kreuzlingerstr.27. Nach einem harten Wettbewerb gegen 24 andere Mitbewerber war die Geburtsstunde der Bierboutique Konstanz praktisch über Nacht gekommen. Der spontane Plan, „man könnte da ja einen Bierladen aufmachen“, war auf einmal Realität.
Eigener Laden & Bier
Nachdem Martin und Freddy den Laden in Eigenregie komplett saniert, umgebaut und ausgestattet hatten, kamen noch ganz andere Fragen auf, denen man sich als junger Selbstständiger Besitzer eines geplanten Biergeschäfts ausgesetzt sieht: Wie sieht eigentlich eine Konzession für sowas aus? Welches Kassensystem braucht man? Und vor allem: Woher bekommt man eigentlich das Bier? Beide hatten wenig Vorwissen zu Bier, und haben sich alles selbst angeeignet und angelesen. Wer Martin einmal beim Philosophieren über Bier zugehört hat, kann das kaum glauben. Gleichzeitig sollte aber auch gesagt sein: Unter Zeitdruck am Anfang die richtigen Biere kennenlernen, probieren, und aussuchen, nahezu jeden Tag die Woche, ist keine leichte Aufgabe.
In jedem Fall, stressige und lernreiche Wochen später, am 24.11.2017, eröffnete der kleine und ganz spontane Traum seine Türen. Der erste große Schritt war getan.
Der zweite folgte schnell: Während inzwischen über 700 Biersorten ihren Weg in und durch die Bierboutique gefunden haben – manche Kunden brachten sogar Biervorschläge mit – gab es immer die Bestrebung, auch eigenes Bier anzubieten. Erst vor zwei Wochen, am 18.Mai 2019, erblickte so Hahn Solo das Licht der Welt, das erste ureigenste Bier der Bierboutique, gebraut von Martin und Freddy höchstpersönlich auf der Anlage der Inselbrauerei. Mehr Herzblut wird man kaum in einem Bier finden 😉.
Vollgas Bier
Freddy wurde es neben seinem Hauptberuf leider zu viel, die Bierboutique weiterzuführen. Nachdem er Anfang 2019 ausgestiegen war, hat Martin zuletzt seinen Job als Physio gekündigt und ist jetzt in Vollzeit für den Laden aktiv. Ab Juni heißt es so: „Immer Bier, immer offen“. Die Bierboutique testet ausgiebigere Öffnungszeiten, um herauszufinden, zu welchen Zeiten am meisten Leute kommen. Ein Besuch zu eurer Lieblingszeit lohnt sich in Kürze also gleich doppelt 😉.
Überhaupt, seit wir die Boutique und Martin kennengelernt haben, können wir nur sagen: Man spürt einfach die Motivation, aus so einer kleinen Idee etwas wirklich Einzigartiges zu machen. Wir können nur für einen Besuch im Laden werben, zum probieren von Hahn Solo oder anderen Sorten, einfach zum Trinken, oder zum Besorgen von Geschenken für Bierliebhaber.
Martin, das wird! Danke dir für deine Zeit!